Lieber reagieren statt agieren:
Warum Kapitalmarktprognosen nutzlos sind
Die Jahresendzeit ist Prognosezeit. Auch im Finanzmarkt. Doch richtigen Mehrwert bieten die vermeintlichen Blicke in die Zukunft meistens nicht. Warum Investoren und Berater den Prognosedschungel ignorieren sollten und weshalb die Vorhersagen sogar hinderlich sein können.
Der elektronische Posteingang eines Finanzjournalisten quillt am Jahresende regelmäßig über. Prognose über Prognose flattert als Mail hinein. Wo steht der DAX in einem Jahr und wo die NASDAQ? Knackt der Bitcoin weiter fulminant seine Allzeithochs, und geht es für Gold wieder bergab? Fast alle Asset-Manager, Banken oder Analysehäuser verkünden das, was sie für das kommende Jahr erwarten und wo die Anleihemärkte, Aktien-Indizes und andere Anlageklassen sich jeweils am Jahresende einpendeln könnten.
Dieses Jahr erwarten die Deutsche Bank, die DZ Bank und die Hessische Landesbank unisono einen DAX-Stand von 14.000 Punkten bis zum Jahresende 2021, auch 15.500 Punkte halten optimistische Marktteilnehmer für möglich. Auffällig ist: Fast immer sind die Prognosen positiv, der durchschnittlich erwartete Jahresendstand für den DAX liegt noch immer rund vier Prozent über den aktuellen Indexständen und damit deutlich im Plus. Auch bei anderen Indizes scheint der Optimismus stets zu überwiegen. Und das Gefühl der eher positiven Aussichten trügt nicht.
Potenziell falsch: Prognosen
Eine aktuelle Untersuchung der Sutor Bank am Beispiel des DAX zeigt, dass die durchschnittliche Wachstumserwartung der Finanzmarktteilnehmer in den letzten 20 Jahren nur ein einziges Mal negativ war. Alle anderen durchschnittlichen Jahresprognosen gingen von einer positiven oder einer zumindest gleichbleibenden Wertentwicklung aus.
Auch negative Vorerfahrungen blendet der Finanzsektor dabei aus: „Während Analysten offensichtlich dazu neigen, nach einer positiven Jahresentwicklung auch für das Folgejahr einen positiven Trend zu prognostizieren, schreiben sie nach einem negativen Jahr den Trend für das Folgejahr nicht negativ fort“, erklärt Lutz Neumann, Leiter Vermögensverwaltung der Sutor Bank.
Dementsprechend waren viele der DAX-Prognosen auch schlichtweg falsch. Der deutsche Leitindex notierte innerhalb der letzten 20 Jahre nämlich gleich sechs Mal im Minus, nur einmal wurde diese Entwicklung von den durchschnittlichen Expertenmeinungen vorhergesehen. Insgesamt gab es bloß in zwei Jahren eine Diskrepanz zwischen der durchschnittlichen DAX-Prognose von Analysten und tatsächlicher DAX-Entwicklung, die unter zwei Prozentpunkten lag. Die Prognosen lieferten inhaltlich also fast nie einen Mehrwert und dienen laut Neumann allerhöchstens als „Möhre für Anleger“.
Ähnliche Studienergebnisse veröffentlichte auch die University of Oxford auf Einzeltitelebene. Auch hier lagen Analysten größtenteils falsch. Problematisch wird es, wenn sich Berater und Investoren auf diese kurzfristig saftigen Möhren stürzen und ihr Depot daran ausrichten. Selbst bei Fonds kann das Vertrauen in Prognosen verheerende Folgen haben. Viele Fondsportfolios sind mittelfristig auf Kapitalmarktprognosen oder Analysen von Einzelaktien ausgerichtet, die offensichtlich selten ins Schwarze treffen. „Die beste Prognose ist, keine Prognose zu haben. Das hat die Vergangenheit ja auch gezeigt“, meint Martin Stürner, Vorstand der PEH Wertpapier AG und Fondsmanager des PEH EMPIRE.
Nicht wissen ist nicht schlimm
Schließlich wurden auch in diesem Jahr alle Prognosen verfehlt, als die Corona-Pandemie die Märkte auf Talfahrt schickte und sie nur wenig später wieder auf Rekordjagd gingen. Fondskonzepte, die sich auf makroökonomische Prognosen beriefen, waren schnell ob der großen Unsicherheit aufgeschmissen. Martin Stürner hat für seinen Fonds besonders wegen eben solcher Situationen einen anderen Ansatz gebaut: „Wir müssen uns nicht an irgendwelchen Prognosevorgaben entlanghandeln, sondern konnten und können durch unsere emotionslose und prognosefreie Strategie auf solche Entwicklungen schnellstmöglich reagieren.“ Möglich macht das ein quantitatives System auf Basis einer künstlichen Intelligenz, die tagtäglich Millionen von Datensätze auswertet.
Die Erkenntnisse fasst der Ansatz in Scores zusammen, die in Mikro-, Makro- und Sentiment-Daten aufgeteilt werden. Je nachdem, welcher Score gerade den größten Einfluss auf die Märkte ausübt, wird das Portfolio des PEH EMPIRE innerhalb eines Tages aktualisiert – möglich macht das auch der Einsatz von Derivaten. „Wir können so auch schnell die Aktienquote anpassen, ohne an irgendwelche Prognosen gebunden zu sein“, erklärt Stürner. In der Corona-Krise begrenzte das etwa die extrem schnellen Verluste am Anfang der Pandemie und brachte Stürner und seinen Investoren die Rendite des Aktienmarktes bei einem deutlich geringeren maximalen Drawdown.
Dass Investoren sich trotzdem zu sehr auf Prognosen verlassen, erlebt auch Stürner im täglichen Geschäft. Selbst im Umgang mit Kunden kommt häufig die Nachfrage zu DAX-Kurszielen oder der Entwicklung des Tech-Sektors. In diesen Fällen verweist Stürner dann auf seinen prognosefreien Fonds-Ansatz: mehr Reaktion, weniger blinde Aktion. „Wir bei PEH – und vermutlich auch alle anderen – können nämlich nicht sagen, wohin der Markt laufen wird. Aber wir können mit dem PEH EMPIRE eine Struktur bieten, die auf alle Marktentwicklungen reagieren kann“, erklärt Stürner und ergänzt: „Aus unserem Hause wird es deswegen keine Prognose mehr geben. Dafür aber den Ratschlag und ein markterprobtes Modell ganz ohne den Blick in die Glaskugel.“